Die Liste der Firmen, die an einem selbstfahrenden Auto arbeiten, ist lang. Neben bekannten Autoherstellern sind es auch Softwareentwickler, Automobilzulieferer und Forschungsinstitutionen. Je mehr geforscht und getestet wird, umso mehr praktische Fragen tauchen auf.

Angesichts dessen, dass heute über 90 Prozent der Verkehrsunfälle auf menschliches Versagen zurückzuführen sind, scheinen selbstfahrende Autos die Lösung zu bringen. Mit Kameras, Sensoren und Radar-Systemen soll eine permanente 360-Grad-Überwachung der Umgebung gewährleistet werden. Sensoren messen den Abstand zu und die Geschwindigkeit von anderen Verkehrsteilnehmenden. Sie unterscheiden zwischen problematischen (z. B. einem Stein) und unproblematischen Behinderungen (z. B. einem Plastiksack) auf der Strasse. Klar ist: Technisch funktionierende Fahrzeuge herzustellen wird wahrscheinlich nicht das grösste Problem sein. Schwieriger wird es, menschliche Eigenschaften zu imitieren, die Software jederzeit aktuell zu halten und in erster Linie, Einigkeit zu finden, wie sich die Autos verhalten sollen. Drei Grundprobleme werden hier kurz umrissen.

Erfolgreich kommunizieren

Heute werden mit Handzeichen und Augenkontakt die meisten Unklarheiten zwischen Fahrzeuglenker und Fussgänger oder Velofahrer aus dem Weg geräumt. Doch wie soll das mit der Maschine erfolgen? Daimler hat dazu eine Testerfahrung gemacht: Als ein selbstfahrendes Auto (in dem aus Sicherheitsgründen auch noch ein Fahrer sass) an einem Zebrastreifen anhielt, um eine ältere Frau passieren zu lassen, wollte diese dem Fahrzeug den Vortritt gewähren. Das Auto konnte diese Signale jedoch nicht deuten. Es rührte sich nicht vom Fleck, bis der Fahrer in den manuellen Modus wechselte. Daimler schlug daraufhin vor, eine Art neue Sprache für die Kommunikation zwischen selbstfahrendem Auto und Fussgängern zu entwickeln. Das Daimler-Testfahrzeug F015 ist bereits mit einem Mechanismus ausgestattet, der Fussgängern mit einem LED-Blitz signalisieren soll, dass das Fahrzeug sie wahrgenommen hat. Fussgänger könnten im Gegenzug dem Fahrzeug mit einem Schritt Richtung Strasse signalisieren, dass sie diese überqueren wollen. Das Fahrzeug soll darauf einen Zebrastreifen auf die Strasse projizieren. Durch einen Schritt zurück sollen Fussgänger signalisieren, dass sie die Strasse nicht überqueren möchten. Die Idee ist grundsätzlich gut, es stellt sich nur die Frage, ob diese Codes ausreichen, um einen effizienten Stadtverkehr aufrechtzuerhalten, ohne dass die Fahrzeuge auf sämtliche Bewegungen von Fussgängern auf dem Trottoir reagieren.

Aktuelle Karten

Viele kennen das Problem: Wenn man sich vom Navi den Weg weisen lässt und wegen einer Baustelle einer Umleitung folgt, wird man oftmals aufgefordert, zu wenden und den nicht passierbaren Weg zu nehmen. Oder die Navigation wird erschwert, weil das System eine neue Strasse noch nicht kennt und darum einen Umweg anzeigt. Was wir heute noch problemlos manuell übersteuern können, ist bei selbstfahrenden Autos eine zentrale Frage: Wie kann sichergestellt werden, dass alle Orte der Welt zugänglich sind und was unternimmt das Auto, wenn die Strasse blockiert ist? Für Besitzer einer Privatstrasse mit Fahrverbot mag es ganz angenehm sein, wenn die Fahrzeuge automatisch einen Bogen darum machen. Doch man stelle sich die Situation von Leuten vor, die beispielsweise in abgelegenen Gegenden Kanadas leben und auch mobil bleiben müssen, wenn die einzige reguläre Strasse von einem umgestürzten Baum versperrt ist. Damit sich das Auto dann dennoch bewegt, sind sehr detaillierte Navigationskarten nötig, die nicht nur offizielle Strassen kennen und zudem laufend upgedatet werden.

Ausweichen oder bleiben?

Als die Entwicklung von selbstfahrenden Autos zum öffentlichen Thema wurde, standen schon bald ethische Fragen im Raum. Was soll das Fahrzeug tun, wenn ein Unfall unvermeidlich ist? Das Massachussetts Insitute of Technology (MIT) forscht schon lange an den ethisch-moralischen Aspekten von autonomen Fahrzeugen. Anfänglich setzte sich das Forschungsteam vor allem mit der Frage auseinander, wie ein Fahrzeug bei Bremsversagen reagieren sollte: Sollte es seine Insassen um jeden Preis schützen (und dabei möglicherweise andere Verkehrsteilnehmende gefährden) oder sollte es den unvermeidbaren Schaden möglichst minimieren? In weitreichenden Umfragen zeigte sich, dass sich die meisten Leute für die Schadensminimierung aussprachen. Die Frage, ob sie denn selber in einem solchen Fahrzeug mitfahren würden, verneinten die meisten jedoch. Für sich selber würden die meisten Leute ein Auto bevorzugen, dass die Sicherheit der Insassen am höchsten hält. Gemäss dieser Umfragen würde sich ein Grossteil der Menschen auch erst in ein autonomes Fahrzeug setzen, wenn die Sicherheit durch jahrelange Tests bestätigt ist. Gleichzeitig sterben aber weltweit mehrere Millionen Menschen pro Jahr im Strassenverkehr, deren Tod vermieden werden könnte, liesse man die Maschine walten. Konkret heisst das: Die Fahrzeuge, die am sichersten sind, würde niemand kaufen und die meisten Leute bevorzugen es, wenn Todesfälle durch menschliches Versagen zustande kommen und nicht durch eine vorprogrammierte Entscheidung einer Maschine – auch wenn die Maschine potenziell 90 Prozent weniger Unfälle verursacht.

Aufgrund dieser Ergebnisse realisierte das Forschungsteam des MIT, dass die Grundfrage für «ethische Maschinenentscheidungen» darin besteht, Klarheit darüber zu schaffen, welche Entscheidungen von einer Maschine für den grössten Teil der Menschheit akzeptabel ist. Bis wir soweit sind, kann noch einige Zeit vergehen.

Mitreden kann man unter moralmachine.mit.edu. Auf dieser Website werden verschiedene Dilemma eines selbstfahrenden Fahrzeugs dargestellt, dessen Bremsen versagen. Die User können entscheiden, wie das Auto reagieren soll und ihre Ergebnisse mit den von anderen vergleichen. Über 30 Millionen User haben bereits teilgenommen.

((Bild: Waymo))